Home | Tagebuch


Tagebuch - Februar 2008

02, 05, 06, 07, 08, 09, 10, 11, 12, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 29


Samstag, 2. Februar 2008

[02.02.2008, sa, 10:00]

Die letzten Tage beschäftigt mich die Frage, wie Menschen und ihre Machtapparate reagieren würden, würde heute eine Jesus vergleichbare Persönlichkeit auftreten und sagen: "Ich bin ein Sohn Gottes, und Gott schickt mich, euch mitzuteilen, hört mir zu ..."

Würde Ein Sohn Gottes heute auch von den eigenen Leuten verraten und seinen Tod gefordert werden oder "nur" in die Psychiatrie eingeliefert?

Wie weit könnte Ein Sohn Gottes die heutigen Machthaber auf ihre Fehler hinweisen und sie zur Korrektur beauftragen?

[nach oben]


Dienstag, 5. Februar 2008

[05.02.2008, di, 10:00]

Nach sechs Jahren, nehme ich seit gestern einen weiteren Versuch, mich der Film-Trilogie "Herr der Ringe" anzunähern: siehe "Herr der Ringe 2".


[19:00]

Lese in Friedrich Nietzsche "Also sprach Zarathrustra".


[21:00]

Hab mir einen Überblick verschafft, hatte bisher von "Zarathrustra" gehört, aber nie selbst ins Buch gesehen, obwohl ich es schon Jahre besitze.

[nach oben]


Mittwoch, 6. Februar 2008

[06.02.2008, mi, 13:00]

Es ist geschafft: hab alle Teile der Film-Trilogie "Herr der Ringe" gesehen.

Mein erster Gedanken war: ... (siehe Seite Herr der Ringe 2).


[14:00]

Lese in Gabriel Garcia Márquez "Hundert Tage Einsamkeit".

Das Buch kaufte ich mir bereits vor Jahren, habe es aber noch nicht gelesen.

Ist noch eine in der DDR erschienen Ausgabe, die ich im Antiquriat erworden habe. Kann aber nicht mehr sagen, ob ich das Buch noch in der DDR oder erst in der BRD gekauft habe.

Für das Lesevergnügen macht es keinen Unterschied, weil es die Übersetzung von Curt Meyer-Calson und auch Grundlage der aktellen Ausgabe ist.


[15:00]

Ob ich ein Freund des "magischen Realismus" werde, wird sich vielleicht noch zeigen. Im Moment ist mir weiterhin nicht nach "überdrehten" Dingen und Verhalten.

Damit ist ein erneuter Versuch gescheitert, mich mit "Hundert Jahre Einsamkeit" anzufreunden.

Was mir auch mit anderen Büchern des Autor bisher nicht gelang: "Laubsturm", "Chronik eines angekündigten Todes", "Die Liebe in den Zeiten der Cholera", "Der General in seinem Labyrinth".

Márquez ist nicht der einzige Nobelpreisträger für Literatur, dem ich mich bisher nicht ausreichend nähern konnte.

Davon abgesehen, lese ich nicht viele Bücher von Anfang bis Ende. Meist fange ich die vermittelte Stimmung ein; was genau im Buch passiert, interessiert mich dann nicht mehr. Jedenfalls nicht so, daß viele Stunden aufbringe, um es zu erfahren. Das kann ich in wenigen Minuten nachlesen.

Trotzdem sind "Hunder Jahre Einsamkeit" und "Die Liebe in den Zeiten der Cholera" ausgelesen: mehrere meiner Freundinnen waren von den Büchern sehr begeistert und habe sie verschlungen.

Warum ich bisher nicht angesteckt wurde, kann ich nicht sagen. Was genau ein Buch haben muß, damit ich nicht mehr von ihm loskommen, entzieht sich noch immer meiner Erkenntnis.


[17:00]

Lese in Flann O'Brain "Der dritte Polizist".


[20:00]

Hätte ich gewußt, wie gut mir das Buch gefällt, hätte ich bereits eher mehr in ihm gelesen; hab es nämlich schon seit 1995.

[nach oben]


Donnerstag, 7. Februar 2008

[07.02.2008, do, 22:00]

Lese auch mit viel Freude in vielen, vielen anderen schönen Büchern.

Unter anderem in:

[nach oben]


Freitag, 8. Februar 2008

[08.02.2008, fr, 9:30]

Ist schon spaßig, wenn ich Bücher lese, deren Autoren ich näher kenne, als man im allgemeinen Autoren kennt.

Wenn Renate Wullstein in "Die Faulheit der Frauen" den Laden in der Mittelstraße beschreibt, dann sehe ich ihn deutlich vor mir, denn ich habe Renate oft besucht.

Auch kenne ich die Besitzerin des Hauses, in dem sich der Laden befindet. Oder Renates Wohnung in der Mittelstraße als auch im Reiterweg 1.

Daß ich damals in beide Frauen verliebt war, erheitert mich sehr, immerhin ist das rund 20 Jahre her, ich hab noch getrunken und geraucht, war abends oft unterwegs und bin nicht selten an unbekannten Orten gelandet.

Grit Poppe kenne ich zwar schon länger, aber weniger gut. Trotzdem weiß ich, an welchem Teich des Parkes sie gestanden und auf die morsche Brücke geblickt hat, denn Grit wohnt nur wenige Meter von mir entfernt und oft werden wie denselben Weg in den Park Sanssouci gehen.

Ob Grit tatsächlich so schlagfertig ist wie die Ich-Erzählerin in "Andere Umstände", kann ich mir nicht so recht vorstellen, weil ich sie eher zurückhaltend als offensiv kenne, während ich Renate als eine Frau erlebt habe, die sich auch von den "härtesten" Typen nichts gefallen läßt. Insofern ist Renates Buch eher eine Autobiografie als Grits.

Selbstverständlich kann ich mich irren. Immerhin hat mich "Die Faulheit der Frauen" an den Stellen überrascht, an denen von vergossenen Tränen der Hauptdarstellerin geschrieben wird.

Wer weiß, vielleicht ist aber Renate tatsächlich fühlender, Grit tatsächlich offensiver als ich die beiden Frauen kenne, oder zu kennen glaube.


[18:00]

Gestern abend hatte ich viel mehr im Kopf, als ich jetzt geschrieben habe. Ist immer wieder interessant, wie mutig ich kurz vor dem Einschlafen bin, wie nüchtern und vorsichtig, wenn ich am nächsten Tag schreibe.

Ob ich jedoch nach einem Bierchen weniger schüchtern zu schreiben weiß, bezweifle ich, denn spätestens wenn meine Worte in die Welt geschickt werden, würde ich wachgerüttelt, denn etwas im kleinen Kreis zu erzählen oder zu veröffentlichen, ist ein großer Unterschied.

Da haben es die Damen besser, sie schreiben, wie jeder Autor, nur teilweise autobiografisch, ich jedoch ein Online-Tagebuch, bei dem ich mich der Wahrheit verpflichtet fühle.

Allerdings ist das ein selbst auferlegtes Diktat, denn wer kennt nicht Goethes "Dichtung und Wahrheit". Vielleicht gelingt es mir ja doch noch, Stück für Stück von der Wahrheit zur Erdichtung zu gelangen. Dann komme ich Renate und Grit ein Stück näher, und sie werden vielleicht sagen, also, mein Lieber, so erinnere ich das aber nicht.

Bis dahin werde ich zu Renate und ihre Freundin, der Besitzerin des Ladens, des Hauses leider nicht mehr schreiben, obwohl ich noch viel schreiben könnte und irgendwie auch gern würde, aber mich leider nicht traue.

Noch gestern abend beim Hinübergleiten ins Unbewußte hatte ich so viele Bilder im Kopf, daß ich glaubte, eine Zeitreise zu unternehmen. Heute erinnere ich die Bilder noch, aber ich wage einfach (noch) nicht, sie und meine damaligen Gefühle in Worte zu fassen.


[18:20]

Gern würde ich auch wieder einmal im Buch Martin Walser "Verteidigung der Kindheit" lesen, das ich der gebundenen Ausgabe besaß, aber vor bereits vor einiger Jahren einem befreundeten Antiquar schenkte. Als Taschenbuch werde ich es wohl nicht noch einmal kaufen.


[19:40]

Seit 21.01.2008, also bereits seit über zweieinhalb Wochen, wiege ich nicht mehr über 120 Kilo. Teilweise wog ich vor dem Essen sogar 118 Kilo.

Einen vormals zu engen Gürtel kann ich nicht nur wieder tragen, sondern morgens auch bereits wieder im dritten Loch verschließen.

Mein Kampf gegen meine Freßsucht zeigt also schon erste körperliche Erfolge. Die machen mich sehr stolz.

Aber auch seelisch bekommt mir das Leben ohne meine letzte Sucht gut: statt mir den Bauch vollzuschlagen, lese oder schreiben ich wieder und mehr. Außerdem empfinde ich feiner, wobei meine Stimmung gleichzeitig stabiler ist.

Schade ist nur, daß ich vermutlich nicht stärker absprecke. Aber wenn mein Körper und meine Seele das nur in kleinen Schritten wollen, werde ich mich fügen.

Ich werde nicht mehr brutal zu mir sein, sondern mit meinem Körper so in Einklang leben, wie sich das jeder Natur wünscht.

[nach oben]


Samstag, 9. Februar 2008

[09.02.2008, sa, 10:30]

Girt Poppes Ich-Erzählerin berichtet in "Andere Umstände" (gebundene Ausgabe, Seite 62), es sei ihr (in der DDR) nicht gelungen, Jack Londons "Wolfsblut" zu bekommen. Damals war Mila Rosin 18 Jahre alt, vermutlich schrieben wir, falls die Mila und Grit im selben Jahr geborgen wurden, 1982.

Ich besitze ein Exemplar des Reclam-Verlages von 1988, 6. Auflage, das ich im November 1988 in Potsdam gekaufte.

Soweit ich mich erinnere, ohne großen Aufwand: es stand im Regal, ich nahm es.

Aber zum Ende der DDR war es weniger schwierig, gute Bücher zu bekommen. Manche begehrte Autoren wurden sogar erstmal ostdeutschen Lesern ohne Westkontakte zugänglich.

"Wolfsblut" habe ich also schon fast 20 Jahre, aber noch nicht darin gelesen. Dafür gib es keinen triftigen Grund, denn das Buch liest sich gut, die Geschichte ist spannend.


[11:25]

Grit Poppes Buch "Geteiltes Glück", gebundene Ausgabe, ist angekommen.

Ist sogar in klassischer Rechtschreibung erschienen, nicht in "neuer", wie die Taschenbuchausgabe von "Andere Umständen".


[12:00]

Das Buch beginnt melancholisch, vielleicht sogar traurig, resigniert. Na ja, "Geteiltes Glück" ist halbes Glück, oder noch weniger.


[12:27]

Grit Poppe schreibt (Seite 17:

Sie wußte über Jonathan, daß er kurzsichtig war und Linkshänder, ...

He, schreibt sie über mich?

...daß er gern Pizza mit Meeresfrüchten aß, besonders den zerstückelten Tintenfisch mochte er, ...

Nein, daß bin ich nicht. Ich möchte auch nicht Teil einer so traurig beginnenden Geschichte sein.

Das alles erinnert mich an meine Beziehungen, wenn sie sich dem Ende neigten. Ich will nicht daran erinnert werden. Zu schmerzlich waren sie, zu schön ist mein Leben jetzt.

Vielleicht sollte ich das Buch nicht in meiner heutigen Stimmung lesen. Ich meine, wenn mich bereits zwei kurze Kapitel so mitnehmen, wo werde ich landen, wer wird mich auffangen, retten?


[18:00]

Nach einem Nachmittagsschläfchen wachte ich mit folgendem Gedanken auf:

350 Sonnentage in San Francisco, aber ich besuche die Stadt während der wenigen Regentage. [1]

Der nächste Gedanken:

Denke ich jetzt schon wie Grit Poppe schreibt?

Vielleicht habe auch nur einen Teil ihres Schreibstil verinnerlicht. Vielleicht bin ich aber auch genervt. Wie auch immer, kann ich mich nicht erinnern, solche Halbwachgedanken schon einmal bezüglich eines anderen Schriftstellers gehabt zu haben.


[18:20]

Daß ein gedankliches Bild einmal die Fanatsie einer Frau, einmal eines Mannes ist, wäre vermutlich nicht passiert, hätte Grit Poppe nicht den Verlag gewechselt, hätte "Andere Umständen" und "Geteiltes Glück" derselbe Lektor gelesen:

In "Geteiltes Glück" (Hiepenheuer Verlag) denkt Jonathan, die männliche Hälfte des geteilten Glücks, als er sich gedanklich einer anderen Frau nähert (Seite 29):

Er überlegte, an wenn sie ihn erinnerte. Er kam nicht darauf. An Eva vielleicht, noch bevor sie ihren Apfel pflückte. Nicht daß sie nackt gewesen wäre. Sie trug ein lila Shirt, das glitzerte wie Schneckenschleim ...

Schneckenschleim, Schnee, Kinderrotze, Spucke, Sperma. Jonathan wandte den Blick ab.

In "Andere Umstände" (Berlin Verlag) sagte Mila, Ich-Erzählerin, sinngemäß - ich finde die Stelle jetzt nicht -, als sie nach dem Sex ohne Kondom mit Viktor - wenn ich mich recht erinnere - aufsteht, ihren Schenkeln würde Schneckenschleim herunterlaufen und meint damit Sperma. [2]

---

[1] Besuch in San Francsisco - bezieht sich auf den Anfang von Grit Poppes "Andere Umstände": "Es ist das erste Mal, daß ich nach San Franciso fliege. Das Flugzeug drehte ..."
Nebenbei: Ich hätte "reise" statt "fliege" geschrieben, weil es ja nicht der erste Flug, sondern die erste (tatsächliche, also nicht nur gedankliche) Reise nach San Francisco ist.

[2] Wobei das Frauen gern glauben, weil sie den fremden Scheiß vielleicht loswerden wollen. Aber meist ist es doch zumindest eine Mischung aus Scheiden- und Samenflüssigkeit. Wer das nicht glaubt, sollte sich einmal Sperma frisch und ohne Zusatz und "Schneckenschleim" anschauen. Jedenfalls hab ich noch keine Spur einer Schnecke gesehen, also Schneckenschleim, die mich an Sperma erinnerte. Während das, was Frauen nicht selten sie Schenkel hinabläuft, weil sie eine sexuelle Fantasie durchlebten oder durch einen Mann ohne Einsatz seines Gliedes erregt und hoffentlich befriedigt wurde, Schneckenschleim schon mehr ähnelt. Aber das nur nebenbei, und auf keinen Fall diskriminierend für die eine oder andere oder dritte Seite.

[nach oben]


Sonntag, 10. Februar 2008

[10.02.2008, so, 12:45]

Im Buch "Geteiltes Glück" komme ich im Moment nicht so recht weiter. Auf Beschreibungen eines Familienalltages, der nicht gerade nach meinen Vorstellungen, aber teilweise nach meinen schlechten Erfahrungen abläuft, hab ich keine Lust.

Hab dann unter anderem in Micheal Kleeberg's "Proteus der Pilger" gelesen. Nach bekifften Typen, die auf westdeutschen Boden Atomraketen verhindern wollen ("Der aufklappbare Berg oder ...", ab Seite 229) hab ich auch keine Lust. Folgenden Satz fand ich jedoch phänomenal (Seite 226, Taschenbuch):

Der Fernseher lief den ganzen Tag über.

Ich empfehle als Gegenmaßnahme: Hahn zudrehen, Stöpsel ziehen, und hoffen, daß der Abfluß frei ist.


Damit ich einen schönen Abschluß meines Leseabends hatte, schlug ich Thomas Pynchon's "Die Enden der Parabel" spontan auf:

All diese Hingestreckten hier, diese Waffenbrüder, sehen so rosig aus wie ein Hafen holländischer Bauern, die gerade von ihrer garantierten Auferstehung in den nächsten paar Minuten träumen (Seite 12, Taschenbuch).

Das ist doch mal ein Bild!

Was auch immer Pynchon damit meinte, es erheitert mich sehr, weil mein Geist versucht die Worte zu einem sinnvollen Bild zu formen, aber irgendwie nur Lustiges fabriziert, abbricht, von neuem beginnt, aber zu keinem ernsthaften Ergebnis gelangt, immer nur lustige Bildschleifen dreht.

Poppe und Kleeberg mit Pynchon zu vergleichen, das macht man wohl auch nicht. Aber als Leser geht es mir um mein Vergnügen, und da darf und sollte ich mir auch eingestehen, welcher Schriftsteller oder welches Schriftgestellte mir Freunde bereitet oder nicht.


[13:15]

Als ich meine Seiten durchsuchte, um herauszufinden, ob ich mehr "Phantasie" oder "Fantasie" geschrieb hatte, stieß ich auch auf die Seite Sexsucht und Zauberin MC.

Das soll ich geschrieben, sogar erlebt haben? fragte ich mich. Unvorstellbar. Als wenn ich in einem Buch lesen würde, das ein anderer geschrieben hat.

Sex interessiert mich eigentlich nicht mehr, und Sexsucht ist kein Thema mehr. Meine letzte Sucht, die Freßsucht, hat nur noch wenig Macht über mich. Mein Leben wird immer langweiliger.

Aber nur, was solche extremen Dinge betrifft wie Sexsklave zu sein, Spaß an Schlägen und Demütigungen zu haben, oder zu essen, bis man bei jeder leichten Krümmung seines Körpers erbricht, weil man vollgestopft und prall wie eine Wurst ist, aus der die Füllung quillt, wenn man ein kleines Loch in sie schneidet und sie zusammendrückt.


[13:25]

übrigens: wie "Die Ende der Parabel" Katje als Domina den Brigadier Pudding befriedigt, kommt dem, was MC und ich auslebten bzw. ich auf ihre Anfrage (siehe Tagebuch vom 04.12.2002) antwortete, bis auf die Uniform mit Orden, ziemlich nahe.

Wobei ich gestehe: was vormals meine Wünsche beherrschte, mich sehr erregte, ließen mich den Kopf schütteln - wie kann man sowas nur tun und dann noch gut finden! Aber wer weiß, wenn mich wieder die richtige Frau entsprechend aufmuntert ...

Auf Einzelheiten gehe ich nicht ein. Die können Sie in "Die Enden der Parabel" nachlesen.


[19:30]

Es sind aber nicht nur "Die Enden der Parabel" (Thomas Pynchon), die ich immer wieder gern aufschlage, auf welcher Seite auch immer, und lese. Auch "Die Fälschung der Welt" (William Gaddis) zieht mich schon seit Jahren in seinen Bann. Daß beide Bücher lesen sich nicht leicht. Ist das der Grund, warum ich Bücher mag oder nicht?

Vermutlich nicht. Denn "Warten auf die Barbaren" (J. M. Coetzee) liest sich leicht, hat nicht mal 300 Seiten (statt über 1.000), und trotzdem wählte ich es, falls man mich fragte, zu meinem derzeitigen Lieblingsbuch.

Falls man mich nicht fragte, würde ich nicht wählen. Viel lieber lese ich nach Lust und Laune in verschiedenen Büchern gerade das und soviel, daß alle Worte und Bilder zusammen etwas Neues entstehen lassen. Etwas, was kein Autor allein schafft, vermutlich gar nicht schaffen will, wonach ich aber noch immer suche: mein Buch.

Das werde ich aber wohl weiterhin aus verschiedenen Werken basteln müssen, oder es selbst schreiben, so wie selbst meine Musik einspielte, weil es sie nicht gab.

Selbst wenn sich für mein Buch ebensowenig Menschen interessieren wie für meine Musik.


[19:50]

Ich sehe gerade, eine Seite "Mein Buch" habe ich bereits Ende 2002 angelegt: mein Buch.

[nach oben]


Montag, 11. Februar 2008

[11.02.2008, mo, 9:00]

Meist sehe ich nur in die Originale von Büchern, wenn ich etwas im der deutschen übersetzung nicht verstehe. So gern ich Texte vergleiche, halte ich mich in jüngster Zeit meist damit zurück, weil mein Ärger über schlechte übersetzungen mir sehr die Lesefreude trübt.

Heute mußte ich wieder nachsehen, weil ich nicht verstand, was mit folgenden Worten gemeint war (William Gaddis "Die Fälschung der Welt", Taschenbuch, Seite 210):

Es war in Chilano Bay Kolumbien. Ich trieb mich also in Chilano Bay rum, aber ich hatte keine Währung, klar? Ich hatte etwas Geld, aber keine Währung, klar?

Nein, nicht klar? Was meint das, Geld aber keine Währung zu haben? Hatte er Gold oder Diamanten, aber keine Dollars?

Gaddis schreibt ("The Recognitions", Taschenbuch, Seite 157):

I was around in Chilano Bay in Colombia with no money of the country, see? I had some money, I had about a hundred dollars, but no money of the country, see?

Yeah! I see.

Nachdem ich verstanden hatte, bemerkte ich, daß als zwei Sätzen drei wurden und welche Worte eingespart wurden, und ich bereute meine Neugier, denn während ich nach der Stelle im Original suchte, las ich viele anderen und erkannte auch deren schlechte übersetzung.

Unterm Strich wußte ich jetzt zwar, was mit Währung gemeint war, wurde mir aber auch wieder bewußt, daß ich mich schon oft über diese übersetzung geärgert hatte, und plötzlich wollte ich sie mir nicht mehr antun.

Damit war mein Lesevormittag beendet.

Zum Glück aber nur kurze Zeit. Dann griff ich nach einem Buch von Stephen King.


[15:00]

Für meine Eltern hat der Frühling bereits begonnen: am Samstag und heute waren sie im Gärten und haben "geackert".

Damit geht auch die triste Zeit des Wartens vorbei, die besonders meine Mutter jeden Winter belastet.

Selbstverständlich, wie ich nur darauf käme, ist ihre Stimmung nie gedrückt oder hat sie gar schlechte Laune, aber ich sorgte mich und hoffte auf den "Frühlingsanfang".


[19:30]

Habe insgesamt 50 Seiten aus zwei Romanen Stephen King's gelesen.

Kannte zwar sein Werk durch Verfilmungen, hab aber noch nie zusammenhängend mehr als einige Seiten von ihm, sondern nur über ihn gelesen.

Bin angenehm überrascht, wie anschaulich und gut lesbar er schreibt.

[nach oben]


Dienstag, 12. Februar 2008

[12.02.2008, di, 19:30]

Bin sehr angetan von Stephen King's "Tommyknockers" ("Das Monstrum").

King schreibt so anschaulich, daß ich Bilder sehe wie in einem Film. Also auch in der richtigen Reihenfolge. Das ist nicht immer so beim Lesen. Nicht selten stelle ich mir etwas vor, um wenige Sätze später zu merken, ich sollte etwas anderes sehen. Wobei das aber nur selten beabsichtigt ist, sondern meist dem Unvermögen des Autors geschuldet.

Manchmal, wenn ich King lese, entsteht vor meinem geistigen Auge auch ein Raum, den ich von allen Seiten betrachten kann - so stark sind die beschriebenen Bilder.

Auch mag ich die Ruhe, mit der er erzählt. Das Grauen kommt eben nicht mit Schlagworten, sondern schleicht sich allmählich an: ehe man sich versieht, ist man mitten drin, ein Teil der Geschichte, nicht einfach jemand, der von außen zusieht.

[nach oben]


Donnerstag, 14. Februar 2008

[14.02.2008, do, 9:00]

Gestern war ich wieder einmal in Berlin und hab meine Eltern und meinen Bruder besucht.

Obwohl ich mehr als sonst gegessen habe - ich wäre blöd, es nicht zu tun, bei den sehr leckeren Speichen, die es gab -, gelang es mir, meine Nahrungsmenge wieder auf das niedrige Niveau der Tage zuvor abzusenken, war also keinem "Rückfalleffekt" wegen Freßsucht ausgesetzt.

So ist es genauso, wie ich es mir wünsche, und wie es schon hätte sein sollen, als ich noch getrunken und geraucht habe.


[10:30]

Habe gestern von meinem Bruder Tolkien's "Herr der Ringe" in der neuen übersetzung zurückgekauft, die ich ihm vor sechs Jahren verkauft hatte.

Habe auch schon viel in "Herr der Ringe" gelesen. Was mich wundert, weil ich nicht weiß, was sich verändert hat; die Bücher sind es jedenfalls nicht.

Werde die alter übersetzung wohl nicht kaufen, sondern mir aus neuer übersetzung und englischem Original meine übersetzung machen.

[nach oben]


Freitag, 15. Februar 2008

[15.02.2008, fr, 10:00]

Als ich letztens in Stephen King's "Das Monstrum (Tommyknockers)" las, klickte es in meinem Hirn und ich dachte:

Aha, das ist der Schlüssel - eine Geschichte wird bildlich, wenn man sich für die Einzelheiten Zeit läßt.

Im Grunde kann eine Geschichte nur erzählt werden, baut sich nicht auf durch das Hinwerfen von Stichworten, was sicherlich intellektuelle Bilder entstehen läßt, aber keinen "Film" beim Leser erzeugt, sondern "Bilder", die nacheinander auftauchen, aber nur einen intellektuellen Zusammenhang haben, vielleicht aber nicht einmal denn.


Ich weiß nicht, ob ich mich deutlich machen konnte.

Vielleicht so: eines meiner Probleme auf dem Weg zum Schreiben war, daß ich in Büchern, die im eigentlichen Sinne keine Handlung haben, nach einer Handlung gesuchte.

Nichts gegen diese Bücher, die ich sehr gern lesen bzw. mir zu Gemüte führe, weil ich und mein Geist ja schon viele Wege gegangen sind und Geheimnisvolles, Verschlüsseltes, neue Reize mögen.

Aber um ein solches Buch zu schreiben, braucht man sehr viel Wissen, muß vermutlich sogar ein bestimmte Typ von Mensch sein, der ich jedoch nicht bin.

Ich habs gern einfach. Mein Hirn allerdings braucht hin und wieder die Herausforderung.

Vielleicht, denke ich eben, ist es aber auch, nachdem meine letzte Sucht - die Freßsucht - immer weniger Macht über mich hat, zufrieden mit schönen Geschichten.


Was ich sagen will: ich beauftragte mich Jahrzehnte lang eine Art von Geschichte zu erzählen, die ich von meinem Typ her gar nicht erzählen kann.

Beim Lesen von "Das Monstrum" wurde mir plötzlich klar, daß ich viel mehr Augenmerk auf Einzelheiten der Handlung, Beschreibung von Menschen, Gegenständen und Orten legen sollte, und das so direkt und einfach wie möglich.


Begonnen hat die Erkenntnis meiner Wandlung mit dem Anfang von Stephen King's "Das letzte Gefecht (The Stand)".

Abgeschlossen war sie mit der Stelle in "Das Montrum", als Bibbi Anderson mitteilt, sie sei nicht deshalb so unruhig, weil sie mit ihrem neuen Buch beginnen, sondern weil sie das Ding ausgraben will (finde die Textstelle jetzt leider nicht).

Die Wandlung selbst hat schon eingesetzt mit meiner Begeisterung für J. M. Coetzee's "Warten auf die Barbaren" bzw. "Waiting for the Barbarians", diesem Buch, das mit wenigen, einfachen Worten einen Welt erschafft, die mich aufgesogen hat, in der ich mich vierdimensional bewegen konnte wie in meinen Erinnerungen.


Am Mittwoch dieser Woche wußte ich nicht nur, wie ich schreiben sollte, um mich in der für mich entsprechenden Weise zu verbalisieren, schlagartig erschien mir auch eine Geschichte, die ich unbedingt schreiben mußte, weil sie niemand anders schreiben kann.

Nein, nein, nicht mein Tagebuch in Buchform. Auf keinen Fall. Sondern eine Geschichte, die ich auf meiner Homepage nicht erwähnt habe, höchstens zwischen den Zeilen, weil sie mich seit Jahren beschäftigt.

[Hier folgte der Bezug auf "Ulysses", den Sie hier lesen können (teilweise werden Sie eben gelesene Sätze noch einmal finden):]

Was ich sagen will: ich beauftragte mich Jahrzehnte lang eine Art von Geschichte zu erzählen, die ich von meinem Typ her gar nicht erzählen kann.

Ich sage jetzt mal: Schreib wie James Joyce in "Ulysses" - wobei das nicht stimmt, soll nur das Extrem zeigen und auch meine Verzweiflung darstellen, wenn man bedenkt, daß meine Art zu schreiben (vermutlich) die ist, die Sie hier in meinem Tagebuch lesen.

Beim Lesen von "Das Monstrum" wurde mir plötzlich klar, daß ich viel mehr Augenmerk auf Einzelheiten der Handlung, Beschreibung von Menschen, Gegenständen und Orten legen sollte, und das so direkt und einfach wie möglich.

Begonnen hat die Erkenntnis meine Wandlung mit dem Anfang von Stephen King's "Das letzte Gefecht (The Stand)".

Abgeschlossen war sie mit der Stelle in "Das Montrum", als Bibbi Anderson mitteilt, sie sei nicht deshalb so unruhig, weil sie mit ihrem neuen Buch beginnen, sondern weil sie das Ding ausgraben will (finde die Textstelle jetzt leider nicht).

Die Wandlung selbst hat schon eingesetzt mit meiner Begeisterung für J. M. Coetzee's "Warten auf die Barbaren" bzw. "Waiting for the Barbarians", diesem Roman, das mit wenigen, einfachen Worten eine Welt erschafft, die mich aufgesogen hat, in der ich mich vierdimensional bewegen konnte wie in meinen Erinnerungen.

Ich weiß noch immer nicht, ob ich mich deutlich machen konnte. Vielleicht weiß ich aber auch nicht, was ich eigentlich sagen will.

Vielleicht das: am Mittwoch dieser Woche wußte ich nur, wie ich schreiben sollte, um mich in der für mich entsprechenden Weise zu verbalisieren, schlagartig erschien mir auch eine Geschichte, die ich unbedingt schreiben muß, weil sie niemand anders schreiben kann.

Nein, nein, nicht mein Tagebuch in Buchform. Auf keinen Fall. Sondern eine Geschichte, die ich auf meiner Homepage nicht erwähnt habe, höchstens zwischen den Zeilen, weil sie mich seit Jahren beschäftigt, der ich aber nicht im "Ulysses"-Stil beikommen kann.

Nichts gegen "Ulysses", vom dem ich zwei deutsche übersetzungen besitze und mehrere englische Ausgaben. Aber, da bin ich mir sicher, es ist besser, eine schwere Sache mit einfachen, direkten Bildern zu beschreiben, während man eine einfache Sache gern mit komplexen Bildern darstellen kann, um ihr eine neue Seite abzugewinnen.

[Anmerkung am 16.02.2008, sa, 11:00: Meine ich jetzt, "Ulysses" stellt eine einfache Sache mit komplexen Mittel dar? Angeblich beschreibt "Ulysses" ja 24 Stunden der Stadt Dublin, was dem Leser nicht unbedingt deutlich wird, wenn es nichts über "Ulysses" liest. Falls es hauptsächlich darum ginge, hätte der Autor mit "Ulysses" in meinen Augen sein Ziel verfehlt. Mir scheint, James ist es eher darum gegangen, berühmt, unsterblich zu werden. Oder was sollte ein Bauplan, an dessen Entschlüsselung man Jahrzehnte beschäftigt ist? Sicherlich nicht als Bauplan dienen.]

Ich meine, wenn ich berichte, wie ich 500 Meter rüber gehe zu Rewe, um mir einen Fruchtsaft zu kaufen, ist das eigentlich schnell erzählt und an sich nicht sonderlich interessant, außer ich schreibe es in einer Sprache und mit Bildern, die es nicht gibt. Zum Beispiel.

Oder aber ich gebe meine komplexen Gedanken und Gefühle wieder, die ich während des vielleicht 20minütigen Ausfluges habe, obwohl ich sie auch zu Hause am Schreibtisch hätte haben können. Ich nehme also den Weg als Basis für etwas, was sich ansonsten schlecht in Raum und Zeit einordnen läßt.

[Anmerkung am 16.02.2008, sa, 11:15: Wenn ich mich nicht bewege, bleibt, um die Zeit zu verdeutlichen, nur die Nennung der Zeit - jetzt ist es 11 Uhr 16. Wenn ich mich aber bewege, kann ich schreiben, ich habe die 50 Meter im normalen Schritt zum Rasen geschafft, und wenn bis zu diesem Punkt 20 Seiten geschrieben habe, ist jedem klar - jetzt ist es 11 Uhr 17 -, daß ich sehr viele Gedanken in kurzer Zeit hatte.]

Ich bin ehrlich: wenns jemand kompliziert macht, werde ich mißtrauisch. Will er mir etwas vormachen, was es nicht gibt?, frage ich mich. Ist es ein Aufschneider? Möchte er mich reinlegen?


[11:30]

Man kann mich mißverstehen, wenn ich "Ulysses"-Stil als mehr Schein als Sein bezeichne. Ich weiß aber jetzt kein anderes bekanntes Werk, an dem auch (oder gerade) viele Leser mit hohem Anspruch gescheitert sind, weil sie nur Qual, kein Vergüngen beim Lesen empfanden und sich immerzu ergebnislos fragten, was der Autor ein ihnen will.

Solche Frage stelle ich mir eigentich nicht. Ich sehe Bücher als Musik, die mir gefällt oder nicht, die ich nur stellenweise "höre" oder vollständig.

Was will der Autor mir sagen? - Meist wissen es die Autoren ja selbst nicht vollständig, sondern folgen dem Strom ihrer Eingebungen. Wenns paßt, ist es doch in Ordnung.


[13:20]

Habe einen Bezug auf James Joyce "Ulysses" verschoben, weil er sehr mißverständlich war und nur verdeutlichte, daß ich das Buch nicht erschlossen habe. (Was ich schrieb, lesen Sie auf tagebuch_2008_02a.html.)

Nicht passende Beispiele können schnell etwas bewirken, was man nie beabsichtigte.

[nach oben]


Samstag, 16. Februar 2008

[16.02.2008, sa, 10:45]

Ohne Zweifel hab ich mich mit schon oft und lange mit James Joyce's "Ulysses" geschäftigt, weil es mich interessiert, weil ich einfach auch wissen will, was anderen an dem Buch finde, um es zu einem der bedeutesten Bücher des 20. Jahrhunderts zu bezeichnen.

(übrigens hab ich auch die lautsprachliche übertragung James Joyce's "Finnegans Wake (Finnegangs Wehg)" ins Deutsche und lese nicht weniger in ihm als im "Ulysses".)


[11:50]

Habe noch etwas auf meiner "Ulysses"-Seite geschrieben, auf der es eigentlich nicht um "Ulysses" geht: "Ulysses-Seite".


[17:45]

Noch nie habe ich so einen lustigen Satz in einer Buchbesprechung gelesen:

Die übersetzung von Hans Wollschläger ["Ulysses"] halte ich für hervorragend, auch wenn ich das englische Original noch nicht in den Händen gehalten habe.


[18:10]

Auch sehr erheitert hat mich folgendes: ein Freund sollte etwas an meinen Bruder schicken. Nach eine Woche teilt er mir mir, daß das Paket wieder bei ihm angekommen sei. Auf meine Frage, was los war, sagt er, die Post habe sich keine Mühe gegeben.

Wie soll ich das verstehen?, frage ich.

Nun ja, antwortet er, die Post wisse nicht, in welcher Hausnummer dein Bruder wohnt.

Die Straße hat nicht nur einige Nummern, sondern mehrere hundert; wahrscheinlich mehr als dein Dorf Häuser hat. Und warum sollte die Post wissen, in welcher Nummer mein Bruder wohnt.

Also, warum auch immer, ich hab nur die Straße, nicht die Nummer raufgeschrieben.

Aha. Ich hab dir doch Straße und Nummer geschickt.

Ja, ich weiß die Nummer auch noch, hab sie aber eben nicht raufgeschrieben. Ich sag doch: die Post hätte sich mehr Mühe geben müssen.


Am Montag wird er das Paket noch einmal abschicken - auf seine Kosten. Strafe muß sein.


[22:00]

Hab noch bißchen in Büchern von und über James Joyce gelesen, unter anderem in Richard Ellmann's "James Joyce", das ich bereits 1994 als gebundene Ausgabe für 98 D-Mark kaufte.

Welchen Charakter James James auch hatte, aus welchen Beweggründen er auch "Ulysses" und "Finnegans Wake" schrieb, und sei es auch "nur", um berühmt und unsterblich zu werden, was ihm ja auch gelungen ist, sein Werk ist aktuell und beeinflußt auch mich.

Als ich eine Mail an meinen Bruder schriebt, hüpften die Worte aus mir heraus, und eins hatte ich zuvor noch nie einzeln oder in einer bildlichen Verbindung gelesen oder geschrieben:

also sehen wir uns montag.

ich werde so gegen 9 uhr aufbrechen und gegen 11 uhr bei dir sein, das heißt dich aufspüren, kann ja sein, du bist auf hunderunde oder ...

emailig sehen wir uns ja noch vorher. körperlich dann am montag.

"emailig sehen", also sich so nahe per eMail zu sein, als würde man sich körperlich gegenüberstehen, und im gewissen sinne als ersatz, vorstufe, nachklang, ergänzung zu "körperlich sehen".

[nach oben]


Sonntag, 17. Februar 2008

[17.02.2008, so, 3:00]

Wollte mal wieder mit meinen Füllern schreiben.

Habe alle gefunden, außer meine Kolbenfüller Pelikan M200 und M250.

Der M200 schrieb sehr weich mit Federstärke M. Der M250 hatte eine Feder Stärke EF, die ich noch dünner geschliffen hatte.


[9:50]

Ich vermute, sie stecken in einen Etui aus hellbraunem Leder.

Das Etui sehe ich vor meinem geistigen Auge, nicht aber, wo es liegt.


Falls ich sie nicht finde, ist das nicht so schlimm, denn der Füller, der am besten schrieb, war ein Pelikan Junior für Linkshänder, grünes Gehäuse, weiße Hülle, den ich für wenige Euro als Angebot kaufte.


[10:10]

Hab das Etui gefunden. Die gesuchten Füller sind nicht drin.


[10:14]

Ich hab sie beide, und noch viele andere, mit denen ich für meine Seiten Handschrift schrieb.

Sie lagen ordentlich in Reichweite links von mir auf meinem Schreibtisch in einer Schale, deren Inhalt von vielen Kassenbons, die im Laufe der Zeit zu einer undurchsichtigen Hülle heranwuchsen, überdeckt wurde. Auf den Kassenbons stand eine weitere, gleich große Schale mit Nähzeug. Unter dem Nähzeug vermutete ich jedoch nicht meine Füller, sondern weiteres Nähzeug. So suchte ich alles ab, nur nicht den Ort gleich neben mir, wo die Füller auf mich warteten.


[10:45]

Der Ausflug in meine Füllerwelt ist beendet.

Seit ich mit der linken Hand, meiner richtigen, schreibe, ist es eigentlich egal, womit ich schreibe, wobei ich das meist mit einem Pilot G-2 mit blauer Tinte tue, mit dem es sich fast so gut wie mit einem Füller schreibt, nur weniger Wartung braucht: kein Reinigen der Feder, kein Wechsel der Patrone oder Befüllen des Tankes - er arbeite zuverlässig, bis er leer geschrieben ist; dann nimmt man einfach den nächsten für 2,29 euro.


[14:45]

Vor einigen Jahren hatte ich die Seite Freßsucht angelegt, konnte mich leider noch nicht erfolgreich damit geschäftigen.


[14:55]

Durch meinen Ausflug in mein "Füller-Leben", las ich auch auf einer Handschrift-Seite etwas von einer Art Klausur oder Auswertung eines Versuches, die ich während meines Psychologie-Studium schrieb.

Obwohl die Aufgabe schon einige Jahre zurückliegt, kann ich mich an den Schwachsinn noch gut erinnern.


[15:25]

Mehr als mir lieb ist, und ich verzichte, auf Einzelheiten einzugehen, um mir nicht den Tag zu verderben.


[17:20]

Hab einige Beispiele meiner aktueller Handschrift auf Handschrift 3 ausgestellt.

War erstaunt, daß meine Handschrift besser geworden ist, irgendwie ruhiger, wenn ich die Texte vergleiche, die ich heute und vor zwei Jahren in aller Ruhe schrieb.

[nach oben]


Montag, 18. Februar 2008

[18.02.2008, mo, 19:00]

Der übersetzer schreibt es selbst:

Die neue Fassung maßt sich einen Versuch an, die Geschichte vorzutragen, wie Tolkien es tun würde, wenn er heute, 1999, schriebe und wenn er sie aus dem Westtron gleich ins Deutsche brächte, ohne den Umweg über das Englische.

["Herr der Ringe", Bd. 3, Seite 379]

"maßt sich einen Versuch an" - dabei ist es wohl auch geblieben.

Vermutlich hatte der übersetzer keine Wahl und vom Verlag beauftragt, "Lord of Rings" zu modernisieren, wie das Verlage gern haben, obgleich es in den meisten Fällen nur Geldschneiderei ist und zudem das Original verfälscht.

"ohne den Umweg über das Englische" - warum sollte Tolkien nicht mehr in Englisch schreiben?

Besser wäre gewesen, der übersetzer hätte seine Arbeit getan, ohne den Umweg, seinen Ansichten einzubringen.


Nach dem, was ich gelesen habe, erwartete ich nur, daß aus "Sir" und der Anrede "Ihr, Euch, Sie" nun "Chef" und die Anrede "du" geworden ist.

Um die ganze Sache richtig locker zu machen, ist der übersetzer allerdings weitergegangen.

Tolkien schreibt im "The Fellowship of the Ring" auf Seite 93, Secend Edition 1966, und läßt Sam sagen:

I could take a lot more yet, sir.

Keine Anrede durch "Ihr, Euch, Sie", nur "Sir".

In der neuen übersetzung, die "den vollständigen Text der neu durchgesehenen Auflage von 1966" enthält ("Die Gefährten", Seite 13), heißt es dagegen:

Ich könnte dir noch eine Menge abnehmen, Herr Frodo.

Das ist Umschreiben (keine Anrede -> du; Sir -> Herr Frodo). Modernisiert könnte es heißen:

Ich könnte noch eine Menge mehr tragen, Alter.


Ich stelle mir eben vor, jemand beim Militär sagt zu seinem Vorgesetzten - sowas in der Art ist ja Herr Frodo für Sam -, statt "Jawohl, Herr Hauptmann", "Alles klaro, Alter".

Aber nicht nur beim Militär wird man das nicht tun. Auch wenn ein Arbeitgeber mit "Sie" und "Herr" angesprochen werden will, wird man heutzutage nicht "du" und "Alter" sagen. Schon gar nicht in vergangen Zeiten, in denen nun mal "Lord of the Rings" spielt.

Da kann es keine Modernisierung geben. Die einzig akzeptable übersetzung ist eine, die dem Orignial am nächsten kommt, nicht irgendwelchen Träumen von irgendwelchen Sesselhelden, die außer auf Schecks nirgendwo schreiben.

[nach oben]


Dienstag, 19. Februar 2008

[19.02.2008, di, 11:00]

Tolkien schreibt über Bilbo ("The Fellowship of the Ring" im zweiten Absatz von "A long-expected Party"):

"At ninety he wars much the same as at fifty."

Das soll man auch über mich sagen.


Diesen Satz gibt es übrigens nicht in der deutschen übersetzung von Wolfgang Krege, genannt "neue übersetzung". An seiner Stelle heißt es: ... - nichts. Vielleicht einfach vergessen.

In der übersetzung von Margaret Carroux, genannt "alte übersetzung", wird er übertragen in: "Mit 90 war er nicht anders als mit 50."

Als ich im englischen Original las, fiel mir der Satz sofort auf, weil er in mir ein starkes Bild erzeugte (ich kenne einen Mann, die Anfang 70 ist, aber für 50 geschätzt wird; nicht nur weil sein Gesicht so jung aussieht, sondern weil er sich auch so bewegt). Außerdem bereitet der Satz den nächsten vor ("At ninety-nine they began ...") und verstärkt dadurch dessen Wirkung.

[nach oben]


Mittwoch, 20. Februar 2008

[20.02.2008, mi, 9:30]

Vermutlich sind die meisten übersetzungen nicht gut geraten, weil übersetzer nicht die nötige Zeit hatten.

Wie ich lese, verdienen übersetzer nicht gut, und je länger sie für eine übersetzung brauchen, desto weniger.

Zum Glück kann jeder ein Werk eines anderen übersetzen - im Kopf beim Lesen. Allerdings darf er seine übersetzung nur veröffentlichen, wenn der Autor bzw. die Inhaber der Rechte des Werkes ihm das gestattet hat.

Ansonsten könnte ich zum Beispiel "Lord of the Rings" übersetzen und ins Netz stellen.

Oder man könnte gemeinschaftlich übersetzen.

Vermutlich muß man sich auch mit dem Verlag, der die bisherige übersetzung verlegt, abstimmen, weil der (vermutlich) die Rechte für die deutsche übersetzung besitzt.


[11:20]

Hab eben Martin Walser's "Die Verteidigung der Kindheit" gefunden.

Das gebundene Buch kaufte ich 1991 für 45 D-Mark. Jüngst (8. Februar 2008, 18:20) glaubte, ich hätte es nicht mehr.


[16:00]

Auf der ersten Seite schreibt Martin Walser in "Verteidigung der Kindheit":

Auch die geringste Abweichung bemerkte sie [die Mutter] sofort und was dann gleich so unglücklich, daß es nicht auszuhalten war.

Selbstverständlich glaubt Sohn Alfred Dorn das nur, und er wird wohl auch niemand etwas tun, außer er selbst, damit er seine Fehlinterpretation begreift, weil alle anderen nur Vorteile aus seinem Mißverständnis ziehen.

Nicht nur die Mutter. Auch der Parnter, Bekannte, Kollegen, Vorgesetzte.

Tröstlich ist für mich zu lesen, daß nicht nur ich, der ich zehn Jahre mit meiner Mutter allein gelebt habe, unter derartigen Schmerzen gelitten habe, sie alle meine Gefühle und Entscheidungen gelenkt haben.

Nun, das ist übertrieben: nicht alle. Immer, wenn ich Ich war, nicht Sohn meiner Mutter, habe ich auch schon als kleiner Junge meine Interessen vertreten. Allerdings war ich dann ganz allein auf der Welt. Ohne Liebe.

Dieser Zustand hat mehrere Jahrzehnte angehalten - erst seit einigen Jahren kann ich meinen wirklichen Schmerz von dem mir suggerierten unterscheiden.


[16:50]

Erstaunlich, wie offen ich insbesondere für andere Künstler bin, seit meine Freßsucht nur noch wenig Macht über mich hat, mein Leben kaum noch beeinflußt.

Nicht nur Martin Walser bin ich nähergekommen, auch Günter Grass.

Von Grass besitze ich seit Jahren schon mehrer Bücher, hab aber immer nur wenige Zeilen gelesen, weil ich mit Grass als Person ähnliche Probleme bei Annäherungen habe wie mit James Joyce.

Der Jugend entwachsen, mag ich eher ruhigen Schriftsteller, "Angeber", laute Zeitgenossen meide ich eher: in ihren Figuren können sie sich gern austoben, ansonsten sollte sie eher ruhige Zeitgenossen sein.

Nein, so recht stimmt es nicht: Stephen King wirbelt auch in seinen Interviews, aber ihn finde ich sympathisch; Grass und Joyce wirken auf mich arrogant: hier bin ich, kein Platz für euch, dabei haben beide in ihren Werken ihre dicken Eier genug präsentiert.


Weil ich eben die DVD "Zucchero - Zu & Co: Live at the Royal Albert Hall" sehe: zwei Gitarristen: Brian May und Eric Clapton, beide weltbekannt, Eric ist mir sympathischer als Brain, was ich vom ihrem Auftreten ableite, keinesfalls an der Qualität ihrer Spiel ableite, obwohl für einen Künstler eigentlich nur sein Werk zählen sollte, aber in mein Kunstverständnis spielt immer stark die Persönlichkeit des Künstlern hinein. Das schein mir eher ein Nachteil zu sein.

Wenn ich Grass, Joyce und King rein von der Persönlichkeit betrachte, ist mir King angenehm.

Dabei könnte er sich auf seinen Erfolg viel einbilden. Bei Amazon lese ich in der Kurzbeschreibung seines Romans "Wahn" unter "über den Autor":

Schon als Student veröffentlichte er Kurzgeschichten, sein erster Romanerfolg, "Carrie", erlaubte ihm, sich nur noch dem Schreiben zu widmen. Seitdem hat er weltweit 400 Millionen Bücher in mehr als 40 Sprachen verkauft.


[18:00]

Na ja, meine Meinung, ähnlich wie auf meiner "Ulysses-Seite". Wollte von meinen Unzulänglichkeiten berichten. Von meinen Empfindungen anderen Menschen gegenüber, die mich ihr Werk nicht "objektiv" betrachten lassen: wenn ich mag, verzeiche ich mehr, wie es wohl jeder tut.

Das ist keine Kritik am Werk eines Künstlers, soll nur verdeutlichen, wie voreingenommen ist nicht selten bin, worauf ich nicht stolz bin, im Gegenteil. Aber ich geben mir immer Mühe, mich auch dem Werk von Künstlern zu nähern, deren Freund ich nicht unbedingt sein möchte.


[18:20]

Cool finde ich übrigens Florian Havemann.

Was seiner 1050 Seiten umfassenden Meinungsäußerung "Havemann" durch Schwärzung viele Passagen angetan wird, ist skandalös!

Gut würde ich es finden, wenn, statt Textstellen zu schwärzen, die betroffenen Personen ihre Meinung oder einfach ihre Bedenken, ihre Gegendarstellung im Buch in Fußnoten oder im Anhang äußern würden und könnten.

Dann könnten sich die Leser ihre Meinung nach Kenntnis beider Positionen machen. Jetzt weiß der Leser nur, wer etwas zu meckern hatte.

Ich wette, die geschwärzten Stellen werden ohnehin im Internet auftauchen, denn es wurden immerhin schon viele unzensierte Exemplare verkauft. Leider hab ich keins von ihnen.

Florian Havemann beginnt:

Egal, womit anfangen. Alle kennen Havemann, keiner kennt Havemann. Ich schreibe das auf, nur das, was sich in meine Erinnerung eingegraben hat, was sich in mir über die Jahre hinweg als Erklärung in meinem Denken festgesetzt hat. Ich überprüfe es nicht auf seinen Wahrheitsgehalt, ich forsche nicht nach. Ich wühle mich nicht durch alte Aufzeichnungen, durch Gerichts- und Geheimdienstakten. Nur meine Wahrheit zählt, und sie zählt auch dann hier allein nur, wenn sie vielleicht nicht die Wahrheit ist, wenn ich’s schon ahne, daß man dies alles auch ganz anders sehen und interpretieren kann, daß die gleichen Dinge von den Menschen, die mir familiär am nächsten stehen, ganz anders auch erlebt worden sein können. Ich schreibe nicht für sie, nicht für meinen Bruder, meine Schwester. Ich schreibe an der Legende Havemann. Das ist der Freibrief – ich habe ihn mir selber ausgestellt.

Ich schreibe auf, was ich weiß. Ich schreibe nur auf, was ich weiß. Ich schreibe aber auch meine Zweifel an dem auf, was ich weiß. Ich schreibe meine Zweifel an dem auf, was ich weiß, denn um diese Zweifel weiß ich ja auch. Und ich weiß, daß alles Wissen zweifelhaft, bezweifelbar bleibt, bleiben muß. Ich weiß, daß ich mit dem Zweifel leben muß.

Alles klar? Also ich würde mich nicht aufregen, wenn über mich etwas in dem Buch stehen würde, wozu ich eine andere Meinung als der Autor hätte. Im Grunde hat er sich ja schon entschuldigt für seine Meinung und eine gegenteilige nicht als falsch angenommen.

Meinen Hochachtung für Florian Havemann! Er hat auch für mich an den Sockeln der "Helden" gerüttelt.


[18:50]

Habe eben meinen Kommentar auf der Seite des Suhrkamp-Verlages zu "Havemann" geschrieben.

Er muß allerdings noch freigeschaltet werden, wie man nach Senden meines Beitrages auf der Website mitteilte.

[nach oben]


Donnerstag, 21. Februar 2008

[21.02.2008, do, 9:30]

Habe beide auf der Website des Suhrkamp-Verlages veröffentlichen Leseproben der überarbeiteten Fassung von Florian Havemanns Buch "Havemann" gelesen.

Havemann schreibt gut: flüssig, frech, musikalisch.

Daß in der zweiten Leseprobe viele Zeilen, teilweise ganze Seiten geschwärzt sind, behindert das angenehme Leseerlebnis nicht. Zumal es sich um Stellen über Wolf Biermann handelt.

Daraus schlußfolgere ich, daß Biermann oder einer seiner Vertrauten, die Schwärzungen auf den Seiten 385 bis 393 hat vornehmen lassen. Ob Biermann es nun gelesen hat oder hat lesen lassen oder was weiß ich, spielt keine Rolle.

Daß Biermann in einem Interview, er sei nicht der Kläger, was ja durchaus stimmen kann, wenn man jemand hat, der die Drecksarbeit macht.

Welt online am 21. Dezember 2007:

Wolf Biermann allerdings ist nicht der Kläger. Das erklärte er gegenüber WELT ONLINE. Der Liedermacher und Schriftsteller, der mit Robert Havemann eng befreundet war, hatte schon früh erklärt, sich nicht zu dem Buch äußern zu wollen. Jetzt sagte er: "Ich habe das Buch nicht gelesen, habe es nie in der Hand gehabt. Aber ich weiß, es ist gequirlte Scheiße."

Falls Biermann weder direkt noch indirekt etwas mit der Schwärzung der Stellen, in denen es um die vom ihm erbetenen Ermittlungen des Staatsschutzes bezüglich seiner Vermutung, Florien Havemann würde ihm mit Mord drohen, nicht zu tun hat, sind meine Worte keine Tatsache, sondern eine Behauptung, die aus einer Fehlinterpretation und meinerseits entstanden sind, wofür ich mich bei allen Betroffenen entschuldige.

Falls aber nicht, darf ich weiterhin in voller überzeugung verkünden: Biermanns Vorgehen ist aber typtisch für ihn: er darf alles gegen alle sagen oder singen, weil er der Kämpfer für was auch immer ist, weshalb niemand etwas gegen ihn sagen oder schreiben darf.

Biermann ist für mich ein äußert unangenehmer Zeitgenosse, der sich alles immer so hinsingt, daß er der Held, der einzige, und alle anderen Nichtsnutze, Duckmäuser, Verleumder, Verräter sind.

Im Grunde hat er gut in die DDR gepaßt, denn auch da ist man nämlich mit der Welt ebenso umgegangen: Wer nicht für uns (bzw. mich, Biermann) ist, ist gegen uns (bzw. mich, Biermann).

Und selbstverständlich heiligt die gute Sache, die Biermanns, auch jedes Mittel, ist doch klar, weil die Bösen, die Kommunisten oder Nicht-Kommunisten, immer die anderen sind, die sonst keine Ruhe geben.

In der DDR war Biermann nicht beliebt, war als "Meckerkopp" verschriehen. Arbeiter verstanden nicht, worum es Biermann in seinen Liedern ging. Arbeiter wollten ein Auto, wollte Reisen, wollten ihre Ruhe vor den Bonzen haben; tatsächlich für Politik interessierte sich eigentlich niemand, und für "Regimekritiker" auch nicht, für "Intellektuelle" schon gar nicht. Und das hat sich ja auch nicht geändert, weder im Osten, noch im Westen.

Biermanns Ausweisung fand ich nicht in Ordnung, aber nur des Grundsatzes wegen. Vermißt hab ich ihn nie.

Im Osten wollte ihn niemand, und als er erst im Westen war, wollte die Nervensäger dort auch niemand. Vermutlich fühlte er sich zurecht ausgenutzt, denn es ging dem Westen niemals um ihn, sondern um seinen Störfaktor.

Jetzt stört er also wieder und behindert die Verbreitung der Meinung eines anderen, weil sie ihm nicht paßt. Was Biermann auch immer zu Freiheit und freier Meinungsäußerung gesagt, geschrieben und gesungen hat, jetzt zeigt er, die Heulsuse, der Jammerlappen, sein wahres Gesicht.

Ich hoffe und wünsche mir sehr, daß Florian Havemanns Buch "Havemann" wieder ohne Biermanns Auslassungen erscheint, nicht weil mich diese Stellen besondern interessieren, sondern weil Havemann ebensolches Recht auf freie Meinungsäußerung hat wie Biermann.

Biermann hat uns seine Meinung über Havemann junior unzensiert gesungen, deshalb darf uns Havemann seine Meinung über Biermann unzensiert schreiben. Soviel Gerechtigkeit sollte auch Biermann einsehen, oder darf man nur singen, was man will, aber nicht schreiben?


[20:00]

Die Unterschiede zwischen "alter" und "neuer" übersetzung von "Lord of the Rings" ist größer, als ich erwartet habe: die erzeugten Stimmungen unterscheidet sich sehr deutlich, so daß bei mir erst beim Leser der "alten" übersetzung ein Gefühl aufkam, die ich bei einer Geschichte aus längst vergangenen Tagen erwarte.

Teilweise ist die "neue" übersetzung einfach lieblos, so als wenn es dem übersetzter egal war, ob der Leser Figuren mag oder nicht.

Auch wenn es vom Sinn keinen Unterschied macht, ob eine Figur mit "Ja" oder mit "So ist es" antwortet, entstand bei mir doch ein anderes Gefühl beim Lesen: das "Ja" ist eine neutrale, durchaus auch kühle Antwort, während bei "So ist es" sich mehr Zeit genommen wird, wie es bei Gesprächen unter Freunden der Fall ist.

Davon abgesehen: Tolkien schrieb nicht "Yes", sondern "It is" (Seite 399, "The Fellowship of the Ring").

[nach oben]


Samstag, 23. Februar 2008

[23.02.2008, sa, 11:00]

Hätte nicht gedachte, daß ich "Herr der Ringe" so viel lieber lese nach dem Wechsel von "neuer" zu "alter" übersetzung.

So ging es mir beim Lesen der Luther-Bibel: an der "aktuellen" Version, das war damals die Fassung von 1964, die ich 1983 kaufte, hatte ich wenig Freude, dachte, ich mag die Bibel eben nicht.

Erst über 20 Jahre später erkannte ich durch Textvergleiche, daß man nicht nur die Rechtscheidung angepaßt hatte. Und als ich tatsächlich Luthers Text in den Fassungen 1534 und 1543 las, spürte ich seine Ausstrahlung und ungeheure Anziehung.

Ebenso wurde Tolkiens "Herr der Ringe" weich gespült und seiner Anmut durch die "neue" übersetzung beraubt.


[12:30]

Ein anderes, bessere Leseerlebnis hätte ich vermutlich mit meiner Bibel von 1953 gehabt, der, noch Fraktur gedruckt, vermutlich die Bibel-Fassung von 1912 zu Grunde liegt, weil die nächste überarbeitung erst 1956 (Neues Testament) abgeschlossen war. Allerdings kaufte ich sie erst 2005, um zu sehen, zu welcher Fassung der Luther-Bibel ich durchaus hätte Zugang haben können.

Froh bin ich, nicht an eine Kirche gebunden zu sein, die mir ihre Fassung der Bibel vorschreibt.

[nach oben]


Sonntag, 24. Februar 2008

[24.02.2008, so, 9:00]

Für einige Pflanzen scheint schon Frühling zu sein: gestern bin ich an einer Wiese vorbeigekommen, auf der viele Schneeglöckchen standen.

Vielleicht sprießen sie aber auch immer Ende Februar. Bin da kein Experte. Sah aber sehr schön aus: eine grüne Wiese mit vielen kleinen, weißen Glöckchen.

[nach oben]


Montag, 25. Februar 2008

[25.02.2008, mo, 19:00]

Die letzten Tage war die Luft in meiner Wohnung sehr trocken, obwohl ich oft gelüftet habe. Heute morgen merkte ich, daß auch draußen die Luft trocken war.

Da hab ich mein Klimagerät DeLonghi PAC 70 Eco angeworfen. Allerdings führe ich den Abluftschlauch nicht nach draußen. So gelangt die feuchte Abluft in die Wohnung und die Luftfeuchtigkeit steigt von 40 auf bis 60 Prozent.


[19:30]

Am Freitag bekam ich Post vom Arbeitsamt: das psychologische Gutachten wegen Zahlung der Fahrlehrerausbildung (siehe 27.11.2007) ist am 18. März 2008.

Der psychologische Dienst des Arbeitsamtes schrieb, die Begutachtung wird etwas 6 Stunden dauern. Aus der beiliegenden Broschüre entnehme ich, daß neben Gesprächen auch ein Intelligenztest durchgeführt wird. Das Wort fällt zwar nicht, aber die vorgestellten Beispielaufgaben dienen zur Ermittlung der Intelligenz.

Was erwarten die von jemand, der 1976 die Schule verlassen hat und seit 15 Jahren als Kraftfahrer und Zeitungszusteller zufrieden ist?


Als ich den Brief öffnete, zerbrach ein Traum: nachdem ich mich damit abgefunden hatte, kein Fahrlehrer zu werden, und das, nebenbei gesagt, auch nicht schlimm fand, und mich wieder in mein schönes Leben eingefunden hatte, wünschte ich mir und war auch davon überzeugt, man würde mich vom Arbeitsamt nie wieder belästigen, mich bis zu meiner Rente in der Warteschleife lassen.

[nach oben]


Dienstag, 26. Februar 2008

[26.02.2008, di, 20:00]

Obwohl mir heute, als ich unterwegs war, nicht kalt geworden ist, habe ich mich doch erkältet.

Ich hoffe, es bleibt bei einer leichten Erkältung, die nach wenigen Tagen auskuriert ist.

[nach oben]


Mittwoch, 27. Februar 2008

[27.02.2008, mi, 10:30]

Nachdem meine Freßsucht immer weniger Macht über mich hat, interessiere ich immer stärker für andere Menschen, weil ich Zeit für die Kämpfe in mir endlich auf ein erträgliches Maß schrumpft.

Gestern hab ich dann auch nach langer Zeit wieder in Christa Müllers "Tango ohne Männer" gelesen.

Außerdem das erstemal in Daniel Defoe's "Robinson Crusoe". War mir immer zu "banal". Dabei gehört der 1719 veröffentlichte Roman zum Weltliteratur.

Wieder einen Blick geworfen und gelesen in:


"Simplicissimus" ist im Grunde auch ein Abenteuerroman, erschienen 1669, allerdings um einiges schwerer zu lesen als "Robinson", was ich nicht aus dem 50 Jahre späteren Erscheinen erkläre.


"Robinson" beginnt (Ausgabe 1719; in Antiqua-Schrift):

I Was born in the Year 1632, in the City of York, of a good Family, tho’ not of that Country, my Father being a Foreigner of Bremen, who settled first at Hull. He got a good Estate by Merchandise, and leaving off his Trade, lived afterward at York, from whence he had married my Mother, whose Relations were named Robinson, a very good Family in that Country, and from whom I was called Robinson Kreutznaer; but by the usual Corruption of Words in England, we are now called, nay we call our selves, and write our Name, Crusoe, and so my Companions always call’d me.

I had two elder Brothers, one of which was Lieutenant Collonel to an English Regiment of Foot in Flanders, formerly commanded by the famous Coll. Lockhart, and was killed at the Battle near Dunkirk inagast the Spaniards: What became of my second Brother I never knew, any more than my Father or Mother did know what was become of me.


"Simplicissimus" beginnt (Ausgabe 1669; in Faktur-Schrift):

ES eröffnet sich zu dieser unserer Zeit (von welcher man glaubt / daß es die letzte seye) unter geringen Leuten eine Sucht / in deren die Patienten / wenn sie daran kranck ligen / und soviel zusammen geraspelt und erschachert haben / daß sie neben ein paar Hellern im Beutel / ein närrisches Kleid auff die neue Mode / mit tausenderley seidenen Banden / antragen können / oder sonst etwan durch Glücksfall mannhafft und bekant worden / gleich Rittermäßige Herren / und Adeliche Personen von uhraltem Geschlecht / seyn wollen; da sich doch offt befindet / daß ihre Vor-Eltern Taglöhner / Karchelzieher und Lastträger: ihre Vettern Eseltreiber: ihre Brüder Büttel und Schergen: ihre Schwestern Huren: ihre Mütter Kupplerinnen / oder gar Hexen: und in Summa / ihr gantzes Geschlecht von allen 32. Anichen her / also besudelt und befleckt gewesen / als deß Zuckerbastels Zunfft zu Prag immer seyn mögen; ja sie / diese neue Nobilisten / seynd offt selbst so schwartz / als wann sie in Guinea geboren und erzogen wären worden.


Vielleicht hat man sich in Deutschland schon vor 300 Jahren "komplizierter" ausgedrückt. Vielleicht mag es der Deutsche im allgemeinen "abgehobener", macht Großes aus Kleinem.

Da denke ich eben an Marin Walser's "Verteidigung der Kindheit". Allerdings gibt es auch Florian Havemanns "Havemann", in seinem fröhlichen Schreibstil wohl aber eher die Ausnahme.

Vielleicht führt mich aber auch meine Auswahl zu diesem Ergebnis.

Vielleicht auch meine Vorurteile.


[12:00]

Gestern war ich in der Stadt.

Hab mir wieder einmal die alten Häuser und Straßen meiner ersten Potsdamer Heimat (Jägerstraße 2) angesehen.

Leider kam ich wieder nicht in den Treppenflur und auf den Hof, sondern nur in einen Teil des Flurs im Erdgeschoß, der zugänglich ist, um die beiden Geschäfte links und rechts von ihm betreten zu können.

Deshalb hab ich dann das Haus auf den Höfen der umliegenden Häuser umkreist. Wirklich mehr sehen könnte ich aber auch nicht, weil sich die Jägerstraße 2 den Hof mit keinen anderen Haus teilt.


Bei sehr schönem Wetter, herrlichem Sonnenschein ging ich los; in stürmischem Regen kam ich wieder nach Hause.

Dabei hab ich mich erkältet. Nicht weiter schlimm, ich huste nur laufend, mein Hals ist etwas "schwer".


[17:30]

"Simplicissimus" finde ich interessanter, spannender, wenn auch schwerer zu erschließen als "Robinson".

Beim Lesen im "Robinson" dachte ich nicht selten: das hat er, der Autor, nie gemacht, nicht mal zugesehen, wenn es gemacht wurde. Ganz selten kommt bei mir ein Gefühl des Hineingezogenseins auf, und wenn, dann nur kurz, um von irgendwelchen buchhalterischen Anmerkungen abgebrochen zu werden.

Kann ja sein, das das absichtlich gesicht - einen Abenteuerroman stelle ich mir aber anders vor.

Vielleicht stört nicht mal das Buchhalterische, denn in "Moby-Dick" wird ja auch nicht nur gekämpft, allerdings schreibt Melville anschaulicher.

Außerdem nervt mich im "Robinson", daß das Unheil angekündigt und, nachdem es geschehen ist, mit erhobenen Zeigefinge erinnert wird. Und trotzdem zieht es Robinson von einer "Verfehlung" zur nächsten, weil er sich seinem Schicksal nicht widersetzen kann. (Bis er zu Gott gefunden hat, aber soweit hab ich noch nicht gelesen.)

Sehr witzig finde wie, wie viele Geräte und Materialen Robinson vom gestandenden Schiff birgt: damit allein auf einer Insel zu leben, ist als wenn man in einem großen Kaufhaus, dessen Waren immer aufgefüllt werden, allein eingeschossen ist - ist nicht schön allein zu sein, aber ... nein, Robinson ist nur so allein wie ein Bauer auf einer einsamen Alp: Hund, Ziegen, Vögel, und dann natürlich noch Freitag.

Warum Freitag ein Mann ist, hab ich mich schon gefragt, bevor ich das Buch las. Mag der Autor Männer lieber als Frauen?

Ich meine, als Skalven wurden nicht nur Männer verkauft, sondern auch Frauen. Und dementsprechend hätte Robinson auch eine Sklavin befreien können.

Vermutlich hätte er dann aber gar nicht mehr von der Insel weg gewollt (oder noch viel schneller?), hätte auf ihr seinen eigenen Staat gegründet. Und irgendwie noch einmal die Zeit von Adam und Eva erlebt.


[18:15]

Trotzdem ist "Robinson" interessant, nämlich als Dokument des Lebens um 1700.

Weitere literarische Zeitdokumente:

So durch die Jahrhunderte zu reisen, macht mir sehr viel Spaß.


[18:30]

Christa Wolf. Hab nicht nur gestern in "Kindheitsmuster" gelesen, sondern vor Jahren auch schon, wie ich jetzt erinnere, da ich ihre Veröffentlichungen überblicke:


In "Störfall", ihre Reaktion auf den Reaktorunfall von Tschernobyl, schreibt sie sinngemäß: ab heute kann man nicht mehr den Ausdruck "der Himmel strahlt" als Beschreibung des Glücks nutzen; hat sich nicht bestätigt, war ihre übergroße Angst, die von den meisten Menschen nicht geteilt wird.

"Kassandra" war mir zu schwierig. Das ist alles, was davon in mir hängengeblieben ist. Interessante Fotos hatte das Buch.

Und bleiben wird ihre exzellente Sprache, die immer ein Genuß ist!

[nach oben]


Freitag, 29. Februar 2009

[29.02.2008, fr, 9:00]

Meine am Dienstag, 26. Februar 2008 beginnende Erkältung ist schlimmer als erwartet geworden.

Heute nacht konnte ich wieder einigermaßen schlafen, gestern fast nicht, weil immer, wenn ich gelegen habe, meine Nase lief, und wenn ich fast im Bett saß, bekam ich war gut Luft, aber das ist wahrlich keine Stellung, um gut schlafen zu können. Außerdem mußte ich oft Husten, wodurch meine Lunge den Schleim loswerden wollte.

Trotzdem hab ich mich den ganze Tag zu Hause verkrochen, sondern war mehrmals zu kleinen Spaziergängen draußen. Etwas in mir sagte ich, es wäre besser für meine Genesung, mich dem feindlichen Elementen auszusetzten.


Unter anderem war ich in dem Hochhaus Zeppelinstraße Ecke Kastanienallee, das nur wenige Meter von meinem zu Hause entfernt steht.

Über dem Erdgeschoß, in dem keine Wohnungen sind, liegen 14 bewohnte Stockwerke, die ich zu Fuß erstiegen habe, und ganz oben drauf, nur ein Teil des Daches bedeckend, das Fahrstuhlhaus, das Motor und Seilrolle ausnimmt.

In jeden Stockwerk gelangt man von Treppenhaus aus über einen kleinen Balkon in den Etagenflur. Auf dem Balkon des 14. Stockes stand ich dann und hab Richtung Werder gesehen.

Beeindruckt hat mich, wie deutlich Bewegungen herausstechen, auch wenn Menschen schon ziemlich klein sind, wenn man sich so hoch über ihnen befindet. Gut konnte ich mir vorstellen, wie ein Alder sein Revier vom Ansitz aus überblickt und auf Beute lauert.

Den Fahrstuhlmotor hört man noch im 13. Stock deutlich. Also sollte man wohl besser nicht ganz oben wohnen, wenn man Ruhe mag.

Erstaunt war ich auch, wie stark der Straßenlärm bis ins 14. Stockwerk dringt. Vielleicht wehte nur der Wind ungünstig, kann ich nicht einschätzen, weil ich nur einige Minuten auf dem obersten Balkon stand.


[19:30]

Von vielen bedeutenden Autoren hab ich Bücher gelesen, aber noch keins von Heinrich Böll.

(Seine Erzählung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" kenne ich schon sehr lange, wenn auch durch die Verfilmung Volker Schlöndorffs, die maßgeblich und nachhaltig mein frühes Bild der Bundesrepublik prägte.)

Im Literaturladen Wist (ehemals Wist & Ressel, aber Siegfried Ressel lebt seit 2001 mit seiner Familie in Frankreich), Brandenburger Straße, Potsdam, bei Carsten höchstselbst, den ich noch aus der DDR kenne, als er in der Friedrich-Ebert-Straße, ein, zwei Häuser vom Cafe Heider entfernt, im Antiquariat arbeitete, kaufte ich heute nachtmittag Heinrich Bölls "Ansichten eines Clowns".

Habe erst bis Seite 41 gelesen, aber schon jetzt wird mir klar, welche Aufregung das Buch 1963 in Westdeutschland auslöste:

Wir wußten es inzwischen: es war wieder ein Deserteur oben im Wald erschossen worden. "So wird es allen gehen", sagte Brühl, "die sich weigern, unsere heilige deutsche Erde gegen die jüdischen Yankees zu verteidigen." (Vor kurzem traf ich ihn noch einmal, er ist jetzt alt, weißhaarig, Professor an einer Pädagogischen Akademie und gilt als Mann mit "tapferer politschen Vergangenheit", weil er nie in der Partei war.)

["Ansichten eines Clowns", Taschenbuch, Seite 26]

Wobei ich die Aufregung nicht recht nachvollziehen kann, denn es wurde doch schon immer so gehandhabt, daß die Köpfe der alten Zeit abgeschlagen wurde, die Körper aber weiterhin ihren Dienst taten - freilich mit einem anderen, meist nicht wirklich neuen Kopf versehen wurde. Denn wer in einem Herrschaftssystem gut in der Reihe maschiert war, würde es auch im nächsten tun.

Nach meiner Meinung ging es nie darum, eine freie, neue Gesellschaft aufzubauen, sondern die Nicht-Mächtigen (nicht: die Un-Mächtigen), mächtig zu machen, also die einen Mächtigen ab- und durch die nächsten Mächtigen zu ersetzten. Die Kleine, wie du und ich, blieben dort auf der Strecken, und sie bleiden es auch hier.

[nach oben]