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Ereignisse und Folgen des 1. Oktober 2002, Dienstag

[03.10.02, do, 8:25]

Den vollen Überblick habe ich noch nicht. Aber im Kern ist folgendes eingetreten, vermute ich, wenn ich meine Gefühle betrachte:

... ich kann es zur Zeit nur kurz beschreiben, weil meine Gefühle zu stark sind und ich allein, wenn ich das erste Wort schreiben will, in Tränen ausbreche.

Bis zu den Erlebnissen des 1. Oktober 2002, als ich eine Mutter und meinen (Stief-)Vater besuchte und mit jedem einzeln unterwegs war, fühlte ich mich tief im Inneren schuldig, als Versager, der Ursache des Durcheinander bei uns zu Hause war.

Ich muß einfügen, daß wir eine ganz normale Familie sind - auf den ersten, auf den zweiten und auch auf den dritten Blick. Für manche Menschen vielleicht auch uneingeschränkt. Vielleicht blicken manche Familien neidvoll auf unsere.

Mir ist sie jedoch nicht bekommen. Damit sage ich jedoch nicht, daß es mich nicht auch schlimmer hätte treffen können.

Ich habe viele Jahre sehr viel Mühe gegeben, es alle rechtzumachen, konnte aber nie jemand zufrieden stellen, ohne etwas zu tun, was ich nicht wollte.

Wenn ich Ich war, fühlte ich, etwas Falsches zu tun. Tat ich das richtige, fühlte ich, mich zu betrügen.

Das war so, als ich zehn Jahre mit meiner Mutter alleinlebte. Das war so, als sie wieder heiratete und wir eine Familie aus Mutter, Vater, Bruder und mir wurden.

Als ich nun am Dienstag erst mit meiner Mutter, dann mit meinem Vater zusammen war, erlebte ich, daß sie immer noch so sind, wie sie damals waren. Ich will (jetzt) keine Einzelheiten berichten, weil sie wohl auch keine Rolle spielen, aber als ich noch ein Kind war, konnte ich mit der Situation nicht umgehen, außer mich anzupassen.

Beide reagierte teilweise sehr intensiv und ärgerlich, wenn ich es nicht tat. Und sei es nur, daß der Tag "versaut" war, weil einer von beiden schlechte Laune hatte. Und irgendwie fühlte ich mich immer schuldig. Ich weiß, nicht warum. Vielleicht fühlen sich Kinder am "Unglück" ihrer Eltern schuldig.

Am Dienstag habe ich bei meiner Mutter meine Meinung nicht für sie verändert, wobei es in dem Fall keine große Sache für mich gewesen wäre, andere Meinung zu sein, aber es geht um das Funktionieren.

Sie war ziemlich sauer. Als ihr Mann nicht auf die Minute von der Arbeit zu Hause war, rief sie ihn auf dem Handy an und meckerte ziemlich mit ihm rum.

Er ist es gewöhnt. Für mich läuteten damals die Alarmglocken, ich mußt unbedingt etwas tun, damit es meiner Mutti wieder besser geht. Ein Mechnismus sicherlich noch aus der Zeit, in der wir allein lebten.

Als ich mit meinem Vater unterwegs war, war er auch so wie früher. Dieses Mal habe ich ihn jedoch nicht zu ernstgenommen, sondern versucht, seine Sprache zu sprechen, bin also nur teilweise sachlich auf ihn eingegangen, hauptsächlich emotional.

So hatte er schöne Stunden mit mir und ich schöne Stunden mit ihm. Ich weiß nicht, was früher schiefgelaufen ist, aber nicht selten haben wir uns sehr bekriegt. Irgendwie war es so, daß er nicht der Vater war, den ich mir gewünscht hatte. Ich brauchte jemand, auf meiner Seite stand, damit ich mich gegen meine Mutter "verteidigen" kann, aber dafür war er der falsche.

Heute bin ich froh, daß ich einen Vater und eine Mutter habe, die ich gern besuche und die mir helfen, mein Studium doch noch irgendwann zu schaffen. Heute kann ich sie nehmen, wie sie sind, kann mich auch auf sie einstellen, ohne mich aufgeben zu müssen.

Aber auch noch nicht lange. Ich erinnere mich, daß Esra oft sagte, wenn ich von meinen Eltern gekommen bin, ich würde sehr erschöpft aussehen. Ich sagte dann meist, es sei auch wieder sehr schwierig und anstrengend für mich gewesen.

... S. hat mich angerufen, ich habe den Faden verloren ...

Es verblüfft mich immer wieder, wie ähnlich S. in bestimmten Dingen meiner Mutter ist.

Ich gehe jetzt in meinem Text nicht noch mal zurück. War anstrengend genug. Aber auch erfolgreich.


[07.02.2012, di, 0:10]

Nach fast zehn Jahren habe ich diesen Text wieder einmal gelesen.

Seit Anfang Dezember 2010 habe ich den Kontakt zu meinen Eltern abgebrochen. Damit ist eigtlich alles gesagt.

Damit ich in einigen Jahren nicht alles vergessen habe, schreibe ich noch einige Sätze.

Anfang Dezember 2010 las ich Protokolle, die zur Vorbereitung auf eine MPU verfaßt wurden, und erfuhr etwas, was mich sehr überraschte.

Am 9. Dezember 2010 mailte ich meinem Bruder:

erstaunt hat mich das verhalten von mutti: sie drohte dir mir deinem
vater, verdrosch dich mit hundepeitsche und ausklopfer. mein gott, was
war da bloß los?

sie hat übrigens sehr genau gewußt, welchen mann sie heiratet. vati
und mutti haben sich viele jahre briefe geschrieben. die hat sie vor
einiger zeit verbrannt. angeblich, weil .... ich weiß nicht mehr. ich
denke, sie wollte einfach nur spuren beseitigen.

Danach habe ich nicht mehr mit meinem Eltern gesprochen.

Meine Mutter nervte mich schon einige Zeit mit der bei jedem Telefonat wiederkehrenden Frage, ob ich sie noch lieb hätte.

Was soll ein 51jähriger Sohn einer 74jährigen Mutter darauf antworten, wenn er mehr schlechte als gute Erinnerungen an die gemeinsame Zeit hat. Da ich weiß, was sich gehört, habe ich nicht mehr mehr gern angerufen.

Gesehen hatte wir uns schon einige Zeit nicht mehr, weil es wieder irgendwelchen Ärger wegen ihrem Mann gab.

Bis ich die Protokolle las, war ich überzeugt, daß meine Mutter zwar ihren Mann deckte, wenn er seinen Sohn, meinen Bruder, geschlagen hatte, sie aber nie gewalttätig geworden ist, weil ich sie so nicht kannte.

Besonders krankt ist das alles für mich, weil meine Mutter Lehrerin war und sich bei offensichtlichen Mißhandlungen ihrer Schüler durch deren Eltern professionell verhalten hat.

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