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Christa Müller

[12.01.2001]

Christa Müllers Roman "Tango ohne Männer" erschien 1998.


So beginnt ihr Roman:

Am Ende so ein Unglück, sagte ihre Mutter. Es war das einzige, was der heute über die Lippen kam, während Elsa an ihrem Bett saß. Elsa, die jüngste ihrer drei Töchter. Das jüngste ihrer Kinder, der Sohn, war lange tot. Ihn wünschte sie sich her. Oder sich zu ihm. Die Mädchen strapazierten ihre Nerven. Sie hatte es ihnen mehr als einmal gesagt.

Die Mutter saß mehr, als sie lag, in den Kissen, schlürfte die Luft durch bläuliche Lippen und hatte das vielleicht zu sich selbst gesagt. War sie denn bei sich? Bei Elsa war sie nicht. So sehr Elsa bei ihr war.

Elsa hatte gewußt, sie würde allein mit der Mutter sein. Elisabeth machte in ihrem Rattenloch, wie Elsa das Labor respektlos bezeichnete, Spätdienst, Elisabeth, die Schwarze, die Elli, der Zigeuner, die ältere Schwester. Die Älteste, Luise, lebte in Dortmund und war nur halb ihre Schwester, was Elsa niemals vergaß.

Wir müssen uns aussprechen, dachte Elsa, fand aber die Mutter so wenig wie sonst geneigt dazu, mehr noch: Die Mutter schien ihre Anwesenheit nicht zu bemerken. Und ließ sie mit dem Satz allein: Am Ende so ein Unglück.

(Aus: Christa Müller "Tango ohne Männer", DVS, 1998, Seite 7, ISBN 3-932246-14-4.)


Zu Weihnachten 2000 schenkte mir Frau Müller ein Exemplar ihres Romans.

Für meine treue Zeitungszustellung das ganze Jahr über: Herzlichen Dank!, schrieb sie.

Bis zu diesem Zeitpunkt wußte ich zwar, daß sie Dramaturgin ist, nicht aber Autor, schon gar nicht Roman-Autorin.

Ich habe mich sehr über ihr Geschenk gefreut. Das ist das schönste Geschenk, daß mir ein Zeitungskunde all die vielen Jahre, die ich Zeitungen austrage, gemacht hat. Abgesehen von den netten, spontanen, leidenschaftlichen Plaudereien, die wir führen, wenn wir uns morgens hin und wieder treffen, sie zum Spazierengehen in den Park unterwegs oder aus ihm kommend, ich kurz vor Ende meiner Zeitungstour.

Danke, Frau Müller! - Ich wünsche Ihnen ein glückliches Jahr! [Die Jahreszahl schreibe ich bewußt nicht, so gilt mein Wunsch jedes Jahr von neuem ... :-))]


Christa Müller, Potsdam, erreichen Sie auch online über die Homepage ihres Sohnes: hufblitz.de.


[17.01.2001]

Als ich das erste Mal in "Tango ohne Männer" las, fühlte ich mich in der Zeit zurückversetzt.

Plötzlich saß ich im Babelsberger Rathaus, wo die Treffs der "Schreibenden Arbeiter" stattfanden und ich ernsthaft daran arbeitete, ein Schriftsteller zu werden. Daraus ist nichts geworden, aber Hobby-Schriftsteller bin ich geworden - oder geblieben?

Als ich "Tango ohne Männer" durchforschte, tauchten meine alten Schreibversuche in mir auf, und etwas in mir sagte: So wolltest du damals auch schreiben, genau so.

Heute morgen traf ich Frau Müller. Wir sprachen über das, was ich eben geschrieben habe.

Ich sagte: Seit ich 13, 14 Jahre alt war, wollte ich Schriftsteller werden. Das hat nicht geklappt. Aber ich habe meine Homepage, die auch einige hundert Seiten Umfang hat, und hier kann ich jeden Tag schreiben, was ich will, kann die Schrift, die Gestaltung verändern, wie es mir paßt - bei einem Buch könnte ich das nicht.

Sie sagte: Sie wollte ein Buch schreiben, um etwas abzuschließen, vor sich hinstellen zu können (ich hoffe, ich habe das richtig wiedergegeben).

Ich dachte darüber nach. Und ich frage mich, ob man so ein schweres Thema wie die eigenen Gesundung (siehe Psycholabor) abschließen kann, ich meine, ob Gesundung des eigenen Seele überhaupt jemals abgeschlossen sein wird, wenn man sich denn damit beschäftigen muß.

Insofern bin ich sehr froh, daß ich meine Homepage und kein Buch geschrieben habe. Was ich hier mache, taucht sicherlich auch nicht für ein Buch.

Obwohl: Abschnitte habe ich in meiner Musik verewigt. Egal, welches Stück ich wieder einmal höre, ob "Einschulung", "Ein Tag wie ein anderer", "Das weiße Weiß im Wald des Traums vom Wal", ich würde keins anders machen.

Aber wahrscheinlich wollte ich nicht wirklich Schriftsteller werden, sondern gesund, und ahnte schon immer, daß Schreiben ein Weg zu meiner Gesundung sein würde ...

Und was hat das alles mit "Tango ohne Männer" zu tun? Nichts. - Doch: diese Gedanken kamen mir, als ich meine Eindrücke aufschrieb.

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