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Bruder

[28.03.99]

Vor wohl zwei Jahren wollte mein Bruder, daß ich auch im Internet bin. Damit wir uns schreiben können und so...

Seit einem Jahr bin ich im Internet. Seit einen halben Jahr haben wir keinen Kontakt mehr. Nicht mal eine eMail haben wir uns geschrieben. Dabei verbindet uns viel Last der Vergangenheit: unsere Sorgen sind sehr ähnlich.

In thieme.org hatte ich mehrere Seiten, die ich einmal für ihn erstellt habe. In andreasthieme.de haben sie nichts mehr zu suchen. Hier kümmere ich mich nur um mich.

Trotzdem bin ich traurig und etwas wütend - zu viel Zeit und auch Kraft habe ich meinem Bruder von mir gegeben...

Wenn ich an den Streß nach seinem sehr schweren Verkehrsunfall denke ... Sein neue Opel Corsa hatte Totalschaden. Mein Bruder hatte einen Schutzengel: dem Tod durch Zerquetschen, dem Verlust eines Auges entgangen, sind einige Narben im Gesicht zurückgeblieben. So gar seine Hündin hat er, als er nach Tagen mit den Eltern an Ort des Geschehens war, wieder gefunden.

Aber das ist nur das eine. In meiner Jugendzeit machten mich die Eltern auch für ihn verantwortlich - mein Bruder ist zehn Jahre jünger als ich, er ist mein Halbbruder. Oft durfte ich Samstagabend nicht fernsehen, weil mein Bruder nicht schlafen wollte. Statt sein Vater sich um ihn kümmert oder ermahnt oder was weiß ich, nahm er mir das, worauf ich mich die ganze Woche gefreut hatte: Samstag Abend einen Film oder eine Sendung auf ARD oder ZDF zu sehen (damals gab es ja die privaten Sender noch nicht) und schickte mich ins Kinderzimmer.

 

Ja, Bruder, wir sind einfach zu verschieden, oder?

Ob unser Kontakt jetzt unseren Wünschen entspricht?

 

[27.04.99]

Vor ungefähr einem Monat hatte ich einen Traum: Ich stehe an einer Böschung. Etwas tiefer sehe ich meinen Bruder. Er ist den Hang hinunter gerutscht, kann nicht mehr zurück. Er steht nicht weit entfernt, ich könnte knapp zu ihn gelangen, würde aber keinen Halt finden, wir würden dann beide den Hang, der kein Ende zu nehmen scheint und sehr steil ist, hinunter rutschen.

Ich denke, da darfst du nicht rüber, sonst ist es aus mit dir. Es ist auch zu weit. Zu gefährlich.

Plötzlich rückt der Hang an mich heran. Der Untergrund ist zu locker, ich finde keinen Halt, das ändert nichts, denke ich.

Die Stelle des Hanges, auf der mein Bruder bangt und zittert, bekommt eine kleine feste Terrasse. Ich bin aber mißtraurisch: ist das alles meine Einbildung?

Die Stelle, auf der mein Bruder sitzt, kommt noch etwas näher zu mir. Ich brauche nur einen Schritt zu machen... Ich mache diesen Schritt. Der Teil der Terrasse, auf die ich trete, bricht ab. Ich stürze hinunter.  Ich denke nur noch, das hab ich mir gedacht, und wache auf.

 

[05.06.99]

Ohne Vorankündigung meldet sich mein Bruder wieder. Ich habe die Seiten, die ich für ihn gemacht hatte, wieder in meine Homepage aufgenommen... Immerhin ist er MEIN BRUDER! Und ein Teil in mir wird immer für ihn sehr warme Gefühle haben! Und dieser Teil war auch immer sehr traurig, wenn wir nicht mehr mit einander zu tun haben. Deswegen gibt es den anderen Teil, der meinen Bruder auf dem Mond schießen will, ja trotzdem.

Ich glaube, meinem Bruder geht es da nicht anders.

 

[21.06.99]

Inzwischen haben wir uns einige Male gemailt. Fast also wäre unsere Verbindung nicht abgebrochen ... Irgendwie finde ich es schön, wenn ich mich hin und wieder mal mit meinen Bruder mailen kann ... Vielleicht gebe ich thieme.org wieder Webspace. Dann könnten wir dort eine Familien-Domain einrichten ... würde ich cool finden ... vor allem die eMail-Adressen vorname@thieme.org (wobei Vorname der meines Bruder und meiner ist) sind cool!

 

[21.04.01]

Vor einigen Tagen mailten mein Bruder und ich zum Thema "Gleiches Recht für jeden".

Ich schrieb:

"es durchzusetzen ist leider nicht einfach."

Mein Bruder antwortete:

"ja und doch notwendig"

Ich:

"leider. ich träume lieber als zu kämpfen."

Mein Bruder:

"ich kämpfe da eher, als das ich träume, wobei ich aber nicht gerne kämpfe, da ich ein träumer bin."