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Louis Aragon (1897-1982)

Von den vielen Büchern, die ich besitze, würde ich einige Aragons auf die berühmten einsamen Insel mitnehmen.

Aragon erwärmt mein Herz. Der Rhythmus seiner Gedichte könnte mein Herzschlag sein. Seine Bücher sind mir teilweise so vertraut, als hätte ich sie geschrieben.

 

                              Die Schlußworte

Es ist hellichter Tag es ist gähnende Leere niemand
liegt in meinen Armen Ich halte nichts Meine Beine in
meinen Beinen Kein
   Echo kein Blick kein Ruf
   Meine Zunge allein in meinem Mund und es zerbrechen in ihm die Wörter

   Zu nichts mehr nütze

   Die stummen Wörter
   Hinter den Zähnen dem Skelett Nur noch
   Das Schweigen

   Ich bin heute morgen dieser Friedhof
   Den man verwüstet hat Nichts
   Ähnelt mir so wie ein uraltes Theater
   Das in Ruinen zerfallen ist
   Ein Theater aus vorhanglosen Zeiten ein Theater aus Steinen
   Die nicht mehr aneinanderhaften mit verblichenen Inschriften
   Nackt liegt der Tag vor mir wie ein verwundeter Soldat
   Verstummt ist in mir plötzlich die eitle Rede
   Vom Alleinsein für immer Alleinsein von der
   Einsamkeit eines Dinges das irgendwo in den Dünen
   Ein Kind vergessen hat

   Ah lange noch hab ich getan als ob
   Ich lebte habe ihnen
   Hab ihnen etwas vorgemacht
   Ich weiß nicht was Hab Kleingeld ihnen herausgegeben
   Eine Münze die ich vielleicht selber war
   Und das ist alles
   Ich hör in mir mein Leben fallen
   Tropfen um Tropfen

   Was richtet da schon der Klempner aus

   Ich höre nichts anderes mehr
   Nicht einmal mehr das Blut an meiner Schläfe
   Und doch erhebt sich scheint es manchmal
   Das Gewitter noch in mir das innere Gewitter
   Diese Kraft des Liebens die sich in ihrem Käfig dreht
   Ihrer Verwüstung

   Ah hin und her gehen
   Solange mir ein Rest von Dasein bleibt

   Oh Wände o Wände des Nicht-Sterbens
   An euch verhallt
   Der Wahnsinns-Himmel-Schrei der mich bewohnt
   Mich der ich niemals gespielt habe nie
   Jemandes Schauspieler war
   Ich schwöre es

   Nie war ich etwas anderes als diese lange Wüste
   Keiner Geschichte Bühne war ich
   Von nichts das Echo außer meiner eigenen
   Gedämpften Schritte
   Der Sand an der dünnsten Stelle des Glases
   Mit dem man die Dauer mißt
   Ich wart aufs Sterben wie ein schlechter Liebhaber
   Der immer sich beim Rendezvous verspätet
   An dieser schrecklichen Kreuzung der Abwesenheit
   An diesem Orte ohne Hoffnung nicht einmal auf ein Wort
   Auch ohne dieses Stöhnen eines tiefen Vorwurfs
   Ohne diesen verlorenen Blick den man auf die Türen richtet
   Und ewig gleich dem Baum im großen Wind

   Aus meinem Zweigen sind die Vögel alle fortgeflogen
   Verlassen trocknen ihre Nester wie Tränen
   Im Winkel der Wangen
   Gegangen ist der Maler des Bildes an dem ich hänge
   Wie eine Spinne
   Wie eine Korrektur
   Was malt er was malt er Wahrscheinlich die Jugend
   Und die glücklichen Länder und die Menschen für die ich
   So fürchte daß eines Tages ihre Tage den meinen gleichen
   Was malt er der da der den Dingen ihre neuen Farben gibt
   Euch Kinder sicherlich euch schöne Kinder die ihr dem Unglück wie wir verheißen seid
   Die ihr die Zeit der Lust aus euren Fingern gleiten laßt
   Vergessen wie ihr seid die reine Rolle eurer Gesichter zu spielen

   Wie in mir alles sich verliert alles erlischt
   Nur nicht die Lust die grausam bleibt nachdem
   Sie schon vergangen ist

Sonntag, 8. April 1973

Aus THEATER/ROMAN. Übersetzt von Lydia Babilas.

 

 

Wolfgang Babilas' "Louis Aragon Online": uni-muenster.de/LouisAragon


[02.01.01]

Bis heute fehlte Aragons "Die Schlußworte". Statt dessen fügte ich folgenden Hinweis ein:

[... Hier stand "Die Schlußworte" aus THEATER/ROMAN von Aragon, was ich wegen des Urheberrechts entfernte ...]

Zu meiner Freunde erhielt ich heute folgende Mail von Herr Babilas:

Sehr geehrter Herr Thieme,

ich habe gerade wieder einmal in Ihre Website geschaut und gelesen, daß Sie die Schlußworte von Aragons "Theater/Roman" aus urheberrechtlichen Gründen herausgenommen haben. Ich autorisiere Sie hiermit ausdrücklich, die Verse wieder in Ihre Seite einzufügen, sofern Sie den Namen der Übersetzerin (Lydia Babilas) mit angeben.

Ein gutes Jahr 2001
wünscht
Wolfgang Babilas


Wolfgang Babilas
Louis Aragon Online
http://www.uni-muenster.de/Romanistik/Aragon
E-Mail: babilas@uni-muenster.de

 

Habe ich sofort getan! Danke, Herr Babilas!