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Ich bin Alkoholiker

[06.05.06, sa, 12:00]

Ich bin seit Mitte der 1980er Jahre Alkoholiker, seit Frühjahr 1992 trockener.

(Im Frühjahr 1992 war ich ein Jahr lang trocken, hatte aber einen Rückfall an einem Wochenende. Seitdem habe ich keinen Akohol mehr getrunken.)

Damit setzte ich die Linie meiner männlichen Vorfahren fort – mein Großvater und mein Vater waren Alkoholiker, jedoch nie trockene –, gebe ihr aber gleichzeitig eine andere Richtung.

(Ich wollte schreiben, "eine andere, bessere Richtung", stockte bei "bessere" jedoch, fragte mich, ob ein trockener Alkoholiker wirklich besser sei, fand keine Antwort und verzichtete auf "bessere".)

Wer auch ohne Alkohol so viel Spaß wie ich hat, Dinge endlich tut, die er immer schon tun wollte, hat die bessere Richtung eingeschlagen.

Wer sich aber nach vielen Jahren Abstinenz immer noch fragt, warum er eigentlich aufgehört hat und ob es ihm letztlich etwas Gutes gebrachte hat, zur Frage, was es ihm Gutes bringt jedoch gar nicht vordringt, sollte sich vielleicht wieder einen Schluck gönnen. Denn wir leben nur einmal und sollten mehr Freude als Ärger, mehr Spaß als Müßiggang haben.

Und wenn an diesem Schluck nicht die ganze Welt schuld ist, sondern man sich entscheidet, sein Leben mehr Schwung zu geben, ohne anderen zu schaden, ist Trinken für mich eine Lebenseinstellung, keine Last.

Neulich fragte ich jemand, ob er denn überhaupt mit dem Trinken aufhören will. Er antwortet: "Den einzigen Spaß, den ich habe, habe ich, wenn ich trinke." Finde ich in Ordnung und besser als arbeitssüchtig zu sein und die Norm zu verderben.


Seit mindestens 23 Jahren (1983 beginnend) bin ich Alkoholiker. Vor rund 27 Jahren (1979) habe ich mit dem Trinken begonnen. Damals war ich 19 Jahre alt und Offiziersschüler (1978-81).


[28.06.06, mi, 13:10]

Über das Thema umfassend und sachlich zu schreiben, fällt mir schwer, weil ich nicht fühle, krank zu sein, sondern nur schwach.

Auch wenn ich schon lange nicht mehr trinke, befällt mich hin und wieder ein Gefühl, im Dunkeln zu sein.

Früher habe ich dann Bier getrunken, jetzt esse ich etwas Leckeres oder kaufe mir etwas Schönes oder mache etwas Verrücktes. Danach fühle ich, wie es wieder in meiner Seele hell wird.

Wenn man von Krankheit sprechen kann, dann wohl eher davon, daß es hin und wieder sehr dunkel in meiner Seele wird.


[11.03.2013, mo, 20:15]

Habe den zwanzigsten Jahrestag meiner Alkohol-Abstinenz verpaßt, der im Frühjahr 2012 war.


[29. Januar 2024, mo, 22 Uhr 20]

Den dreißigsten Jahrestag habe ich auch verpaßt.

Den fünfzigsten werde ich aber feiern.

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